
Die didaktischen Impulse im Überblick
Die hier präsentierten didaktischen Impulse wurden von Studierenden wie MitarbeiterInnen der JGU Mainz konzipiert und in Lehrveranstaltungen des Arbeitsbereichs Geschichtsdidaktik gemeinsam weiterentwickelt.
Jeder Impuls präsentiert Ausschnitte bisher unveröffentlichter Wiedergutmachungsakten und nimmt diese zum Anlass, sich mit den Biografien der AntragstellerInnen und ihrer Familien auseinanderzusetzen. Die Aktenauszüge wurden vielfach durch eigens recherchierte Funde aus Archivbeständen oder bereits veröffentlichten Werken ergänzt.
Neben diesen für das historische Lernen zugänglich gemachten Quellen bieten die Impulse auch konkrete Aufgabenvorschläge, weiterführende Projektideen, Scaffolds sowie einbettende Bemerkungen in fachwissenschaftliche und didaktische Hintergründe.
Informationen für Lehrende
Die hier gesammelt präsentierten Links führen zu einzelnen Unterseiten, auf denen die didaktischen Impulse jeweils in zwei Formaten zum Download bereitstehen.
Das Präsentationsformat versammelt Quellen und Aufgabenpulse und macht die Arrangements so unmittelbar nutzbar für den Unterricht. Das Lehrendenformat enthält zusätzlich die didaktisch-methodischen und fachlichen Erläuterungen.
Außerdem finden sich auf den Unterseiten einzelner Entwürfe interaktive h5p-Elemente, die entweder über Angabe der URL oder über eine individuelle Einbettung, etwa in Lernplattformen, mit SchülerInnen genutzt werden können.
Hinweise zur Auswahl der Aktenauszüge
Die gehobenen Akten stammen aus dem Landeshauptarchiv Koblenz, dem Landesamt für Finanzen (Amt für Wiedergutmachung) in Saarburg sowie dem Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden.
Die AntragstellerInnen sind mit dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz über ihre Geburts- oder Wohnorte verbunden. Ihre regionale Verortung ist obiger Karte zu entnehmen. In den didaktischen Materialien stehen verschiedene Gründe der NS-Verfolgung im Zentrum. Neben jüdischen AntragstellerInnen sind auch politisch Verfolgte, Zwangssterilisierte, religiös Verfolgte und Opfer der sog. „Kindereuthanasie“ repräsentiert. Perspektivisch sollen in der Konzeption folgender Arrangements weitere Verfolgtengruppen Beachtung finden.
In den Lehrveranstaltungen wurden den Studierenden umfangreiche Quellenkonvolute zur Verfügung gestellt. Die Auswahl der Akten sowie die Schwerpunktsetzung ihrer thematischen Auseinandersetzung oblag den Studierenden dabei stets selbst.
Detailinformationen zu den didaktisierten Aktenauszügen
Folgende Biografien im Nationalsozialismus Verfolgter und ihrer Familien wurden in den didaktischen Impulsen für das OER-Portal aufgearbeitet:
*Hermann Ibkendanz
(Landesamt für Finanzen Amt für Wiedergutmachung in Saarburg, VA10009)
Geburtsort: Rosenthal (Kerzenheim), Wohnort vor und nach 1945: Worms
*„Herr J.“
(Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 927 Amt für Wiedergutmachung, Saarburg Nr. 197)
*Richard Möbius
(Landesamt für Finanzen Amt für Wiedergutmachung in Saarburg; VA15672)
Wohnort der Familie nach 1945: Gau-Algesheim
*Raymond Ullmann
(HHStA Wiesbaden; Best. 518, Nr. 912)
Geburtsort: Mainz
*Lina Ummenhofer
(HHStA Wiesbaden; Best. 518, Nr. 67467)
Geburtsort: Mainz
*Fritz von Unruh
(HHStA Wiesbaden; Best. 518, Nr. 67603)
Geburtsort: Koblenz
*Georg Wagner
(Landesamt für Finanzen Amt für Wiedergutmachung in Saarburg; VA 251675)
Geburtsort: Föhren; Wohnort nach 1945: Schweich
*Herbert Wolff
(Landesamt für Finanzen Amt für Wiedergutmachung in Saarburg; VA 179536)
Geburtsort: Nackenheim
Weitere Hinweise auf biografische Fallbeispiele finden sich auf der Unterseite „Hörbar-Sichtbar“ sowie über die illustrierenden Aktenauszüge der Unterseite „Fachlich-didaktische Kontexte“.
Antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung in der NS-Diktatur und ihre Folgen am Beispiel der Familie Wolff aus Nackenheim – Familienbiografische Perspektiven auf den Nationalsozialismus und die Zeit nach 1945 (Sekundarstufe I/II)
Das wahlweise in der Sekundarstufe I oder II einsetzbare Quellenarrangement enthält vorwiegend Ego-Dokumente (Fotografien, Briefe, Auszüge aus Wiedergutmachungsakten) der aus Nackenheim in Rheinhessen stammenden Familie Wolff. Die Familienbiografie ist über 1945 hinaus verzweigt, so wurde das Ehepaar Heinrich und Selma Wolff in der NS-Diktatur aus Mainz deportiert und ermordet; ihre beiden Söhne, Herbert und Helmut Wolff, konnten Ende der 1930er Jahre in die USA flüchten und überleben. Mit ihren Eltern pflegten sie bis 1942 regen Briefkontakt. Die im Nationalsozialismus erfahrene Ausgrenzung und Diskriminierung genauso wie die Verwurzelung und Integration der Familie im Mainzer Raum stehen im Zentrum des Quellenkonvoluts. Die durch die NS-Diktatur herbeigeführten, biografischen Zäsuren und deren generationsübergreifende Konsequenzen rücken dabei in den Blick. Auch Perspektiven auf und durch die Menschen vor Ort nach 1945 sowie Aspekte gegenwärtiger Erinnerung werden über die Aufgabenimpulse thematisiert. Die didaktische Skizze hält dabei differenzierte Aufgabenformate bereit, u.a. auch theaterpraktische Gestaltanregungen sowie Impulse ihrer Reflexion.
Idee und Durchführung der Wiedergutmachung zwischen Anspruch und „Wirklichkeit“ –
Ein exemplarischer Einblick in die Entschädigungsakte Raymond Ullmanns (Sekundarstufe II)
Der für eine Sekundarstufe II entwickelte didaktische Impuls nimmt einen Brief des in Mainz geborenen Raymond Ullmanns aus dem Jahr 1950 an die hessischen Wiedergutmachungsbehörden in den Fokus. In dem Ego-Dokument Ullmanns wird deutlich, wie der Prozess der Wiedergutmachung von Seiten der Verfolgten rezipiert wurde und welche Probleme durch die verzögerte Bearbeitung der Anträge für die Betroffenen entstanden. Der exemplarische Einblick in die Akte wirft schließlich auch die übergeordnete Frage auf, inwiefern und ob eine Wiedergutmachung aus Betroffenenperspektive verwirklicht werden kann.
Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden im Zeitraum von 1933 bis 1945 – Eine chronologische Rekonstruktion über die Entschädigungsakte Raymond Ullmanns (Sekundarstufe II)
Der für die Sekundarstufe II konzipierte didaktische Impuls nimmt die Verfolgung, Ausgrenzung und systematischen Ermordung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus in den Blick und möchte unter diesem Fokus die Biografie des in Mainz geborenen und nach Südamerika geflüchteten Raymond Ullmann historisch kontextualisieren. Dabei wird sowohl die von ihm erlebte antisemitische Diskriminierung in der NS-Diktatur als auch seine Lebenssituation vor der Flucht in den Blick genommen. Unter Einbezug verschiedener Quellengattungen werden ein NS-Propagandaartikel in einer 1935 erschienenen regionalen Zeitung sowie ein aus der Wiedergutmachungsakte Ullmanns stammendes Ego-Dokument und eine Zeugenaussage aus den 1950ern zur Analyse herangezogen. Die Beschäftigung mit Raymond Ullmanns Biografie soll auch zur Reflexion und Gestaltung der gegenwärtigen Erinnerung überleiten.
Schuld und Schulden – Ist eine Wiedergutmachung der Verbrechen des Nationalsozialismus möglich?
(Sekundarstufe I/II)
Die niveauflexibel anzupassende Planung einer Unterrichtsstunde fußt auf der Betrachtung konkreter biografischer Beispiele von Verfolgtenbiografien, wobei die Offenheit des Lernarrangements durch die Strukturierungshilfe einer digitalen Pinnwand mit dort bereitgestellten Differenzierungsangeboten betont wird. Auszüge aus den Wiedergutmachungsakten der aus Mainz stammenden Lina Ummenhofer und des in Koblenz geborenen Dichters Fritz von Unruh stehen dabei im Zentrum und bieten Anlass zur Reflexion der Fragestellungen, wie das Konzept der Wiedergutmachung in der Nachkriegszeit ausgedeutet wurde und inwiefern Anspruch wie Umsetzung dabei zu problematisieren sind.
„Wiedergutgemacht“? – Der Umgang mit NS-Verfolgten aus Rheinland-Pfalz nach 1945
(Sekundarstufe I)
Der als Stundenentwurf für eine Sekundarstufe I konzipierte didaktische Impuls zeigt anhand zweier konkreter Auszüge aus den Wiedergutmachungsakten von Lina Ummenhofer und Fritz von Unruh den Umgang mit NS-Verfolgten aus Rheinland-Pfalz im Kontext ihrer Wiedergutmachungsverfahren auf. Anhand der untersuchten Biografien und Historikerurteile soll den SchülerInnen eine exemplarische Bewertung der Wiedergutmachungsverfahren im Spannungsfeld ihrer Anforderungen an eine administrative und juristische Umsetzbarkeit und dem Anspruch der Gerechtigkeit für NS-Verfolgte in einer entstehenden bundesrepublikanischen Gesellschaft ermöglicht werden.
Nicht „politisch einwandfrei“? – Das Fallbeispiel Hermann Ibkendanz
(Sekundarstufe I/II)
Der sowohl in der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II einsetzbare didaktische Impuls bietet familienbiografische Einblicke in das Leben der Familie Ibkendanz. Hermann Ibkendanz wurde am 9. Mai 1933 von der NSDAP verhaftet und im (frühen) Konzentrationslager Osthofen inhaftiert. Zuvor war er für die SPD Mitglied des Stadtrates Worms und Gewerkschaftsvorsitzender. Die Verhaftung führte zu seiner Entlassung aus dem Eisenbahndienst, eine Wiedereinstellung wurde im NS-Regime (zunächst) systematisch verhindert. Auch der Ausbildungsweg seines Sohnes sowie die berufliche Tätigkeit seiner Frau wurden durch seine Verfolgung beeinflusst. Die Biografie von Hermann Ibkendanz und sein Kampf um Wiedergutmachung ist ein stellvertretendes Beispiel für politische Verfolgung im Nationalsozialismus.
Der abgebrochene Ausbildungsweg Georg Wagners – Wiedergutmachungsanträge als Zeugnisse verwehrter Chancen?
(Sekundarstufe I/II)
Das wahlweise in Sekundarstufe I oder II einsetzbare Quellenarrangement und Aufgabenkonvolut besteht sowohl aus Ego- als auch aus Fremddokumenten von und über den ehemaligen Missionsschüler Georg Wagner. Die im Nationalsozialismus erfahrene Diskriminierung durch mehrere Schließungen von katholischen Schulen, die er besuchte, durch die Gestapo, sein Schulverweis wegen eines angeblichen Diebstahls und der damit verbundene Einschnitt in seiner Bildungsbiografie bilden das Zentrum dieses Arrangements. Auch Perspektiven von anderen auf den Vorfall, wie beispielsweise ein entlastendes Gutachten seines Rektors Frings, der ihn verteidigt, sollen die Willkür der Nationalsozialisten aufzeigen. Zudem zeigt auch der erste abgelehnte Wiedergutmachungsantrag, dass es manchmal für die Betroffenen ein zäher bürokratischer Akt sein konnte, in Nachkriegsdeutschland zu einer Entschädigung im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes zu gelangen. Des Weiteren sollen erinnerungskulturelle Aspekte und das Leben Georg Wagners ab 1950 in unterschiedlichen Aufgaben thematisiert werden. Die didaktische Skizze hält differenzierte Aufgaben bereit, u.a. eine projektartige, regionalgeschichtliche Aufgabe am Beispiel von Stolpersteinen. Zudem sind interaktive und multimediale Aufgaben Bestandteil des Konvoluts.
„Ob mir geholfen wird, ist eine Frage?“ – „Wiedergutmachung“ für NS-Zwangssterilisierte?
Das Beispiel von Herrn J. aus der (heutigen) Verbandsgemeinde Gerolstein (Sekundarstufe I/II)
Der für die Sekundarstufe II konzipierte didaktische Impuls widmet sich jenen Opfern des Nationalsozialismus, die in der NS-Zeit zwangssterilisiert wurden und nach 1945 versuchten, finanzielle „Wiedergutmachung“ zu erhalten. Die Lernenden werden in das Entschädigungsverfahren eines NS-Verfolgten eingeführt und analysieren anhand von Aktenausschnitten den Verlauf des Verfahrens, die Ablehnungsbegründung und die persönliche Gefühlslage des Betroffenen. Die weiteren Materialien adressieren die Rolle von MedizinerInnen und die Entwicklung der Entschädigungspraxis in der Nachkriegszeit sowie die gesellschaftliche Stigmatisierung der Betroffenen. Ziel ist eine kritische Auseinandersetzung und kreative Aufarbeitung, z.B. durch die Konzeption einer Gedenktafel/eines Gedenkobjektes.
Verfolgung in der NS-Diktatur und ihre Folgen am Beispiel der Familie Möbius aus Gau-Algesheim – Familienbiografische Perspektiven auf den Nationalsozialismus und die Zeit nach 1945 (Sekundarstufe I/II)
Das wahlweise in der Sekundarstufe I oder II einsetzbare Quellenarrangement enthält vorwiegend amtliche Dokumente (Haftbuchakten, Standesamt-Listen, Auszüge aus Wiedergutmachungsakten) der aus Gau-Algesheim in Rheinhessen stammenden Familie Möbius. Die Lebenswege der Familie sind stark geprägt durch die Ausgrenzung und Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus. Aufgrund einer Erkrankung an Kinderlähmung wurden die Kinder Adolf und Emma Möbius 1943 in die „Landesheil- und Pflegeanstalt“ Eichberg verschleppt, wo sie kurz darauf im Rahmen der NS- „Kindereuthanasie“ ermordet wurden. Ihr Vater Richard Möbius äußerte sich daraufhin bei der Feldernte kritisch zum Nationalsozialismus, woraufhin er in das KZ Buchenwald-Weimar deportiert und durch katastrophale Haftbedingungen im Außenlager Ohrdruf getötet wurde. In den 1950er Jahren stellte die hinterbliebene Witwe Anna Möbius Wiedergutmachungsanträge auf Grundlage des Landes- und Bundesentschädigungsgesetzes. Diese wurden aufgrund der Nachweisbarkeit der politischen Gegnerschaft ihres Mannes abgelehnt. Nach dem Tod von Anna Möbius kam es 1968 zu einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Amt für Wiedergutmachung und der Erbengemeinschaft der Familie Möbius. Eine adäquate „Wiedergutmachung“ stellen diese Entschädigungszahlungen für Erika Kurz, die letzte lebende Tochter der Familie Möbius, jedoch nicht dar. Diese regionalbiografische Auseinandersetzung mit Inhalten der NS-Verfolgung und „Wiedergutmachung“ eröffnet neue Perspektiven auf die Erforschung der NS-Vergangenheit. SuS wird die Möglichkeit geboten, rechtliche Grundlagen der Wiedergutmachungspraxis am konkreten Fallbeispiel der Familie Möbius nachzuvollziehen und abschließend zu eigenständigen Sach- und Werturteilen in Bezug auf die Umsetzung der „Wiedergutmachung“ im Nachkriegsdeutschland zu gelangen.
Zitationshinweise:
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