Impuls 9

Verfolgung in der NS-Diktatur und ihre Folgen am Beispiel der Familie Möbius aus Gau-Algesheim – Familienbiografische Perspektiven auf den Nationalsozialismus und die Zeit nach 1945 (Sekundarstufe I/II)

Der hier vorgestellte didaktische Impuls wurde von einer M.Ed.- Studierenden der Geschichtsdidaktik im Sommersemester 2024 konzipiert:

Laura Berndroth

Das wahlweise in der Sekundarstufe I oder II einsetzbare Quellenarrangement enthält vorwiegend amtliche Dokumente (Haftbuchakten, Standesamt-Listen, Auszüge aus Wiedergutmachungsakten) der aus Gau-Algesheim in Rheinhessen stammenden Familie Möbius. Die Lebenswege der Familie sind stark geprägt durch die Ausgrenzung und Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus. Aufgrund einer Erkrankung an Kinderlähmung wurden die Kinder Adolf und Emma Möbius 1943 in die „Landesheil- und Pflegeanstalt“ Eichberg verschleppt, wo sie kurz darauf im Rahmen der NS- „Kindereuthanasie“ ermordet wurden. Ihr Vater Richard Möbius äußerte sich daraufhin bei der Feldernte kritisch zum Nationalsozialismus, woraufhin er in das KZ Buchenwald-Weimar deportiert und durch katastrophale Haftbedingungen im Außenlager Ohrdruf getötet wurde. In den 1950er Jahren stellte die hinterbliebene Witwe Anna Möbius Wiedergutmachungsanträge auf Grundlage des Landes- und Bundesentschädigungsgesetzes. Diese wurden aufgrund der Nachweisbarkeit der politischen Gegnerschaft ihres Mannes abgelehnt. Nach dem Tod von Anna Möbius kam es 1968 zu einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Amt für Wiedergutmachung und der Erbengemeinschaft der Familie Möbius. Eine adäquate „Wiedergutmachung“ stellen diese Entschädigungszahlungen für Erika Kurz, die letzte lebende Tochter der Familie Möbius, jedoch nicht dar. Diese regionalbiografische Auseinandersetzung mit Inhalten der NS-Verfolgung und „Wiedergutmachung“ eröffnet neue Perspektiven auf die Erforschung der NS-Vergangenheit. SuS wird die Möglichkeit geboten, rechtliche Grundlagen der Wiedergutmachungspraxis am konkreten Fallbeispiel der Familie Möbius nachzuvollziehen und abschließend zu eigenständigen Sach- und Werturteilen in Bezug auf die Umsetzung der „Wiedergutmachung“ im Nachkriegsdeutschland zu gelangen.